
Seit Jahrtausenden beruht die Globalisierung darauf, dass Seefahrer und Händler möglichst exakt navigieren und reisen. Egal ob Ägypter, Portugiesen, Briten – um Positionen, Orte und Reiserouten zu bestimmen, schauten die Menschen in den Himmel. Kapitäne, Astronomen und Mathematiker versuchten anhand der Positionen von Planeten und Sternen, von Sonne und Mond den Ort auf der Erde auszurechnen, an dem sie sich gerade befinden – oder in dessen Richtung sie unterwegs waren.
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So war der Vorläufer des satellitengestützten Global Position Systems – „GPS“ – die Bestimmung von Orten auf Basis der Beobachtungen am Himmel. Und dies war das Fundament der ersten Globalisierung lange vor unserer heutigen Zeitrechnung. Leider gab es durch die Jahrtausende fatale Irrtümer: Anders als lange angenommen stellte sich sicher heraus, dass die Erde keine Scheibe ist – und das sich auch die Sonne nicht um die Erde dreht. Erst im Jahr 1609 gelang es dem Kaiserlichen Hofastronom des Heiligen Römischen Reiches – Johannes Kepler – die elliptischen Bahnen der Planeten zu beschreiben. Damit etablierte er das wissenschaftliche Modell für die exakte Vermessung der Erde und damit für die Erstellung der ersten korrekten Landkarten und Atlanten.
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Wissen um Orte, Positionen und Routen auf der Erde ist eine der Voraussetzungen für Globalisierung. Und Fakt ist, die Satelliten Navigation – insbesondere das US-amerikanische GPS-System – hat unsere Wahrnehmung der Erde verändert. Das Wissen um Position und Navigation ist nicht mehr Herrschaftswissen. Jeder Besitzer eines Smartphones bestimmt seinen Standort bis auf einige Meter genau und teilt diese Position anderen mit. Und auch unsere Wahrnehmung von Zeit hat GPS verändert. War die „alte Welt“ noch in Zeitzonen aufgeteilt, können die Experten heute jedem Punkt der Erde einen genauen Zeitpunkt zuordnen. Marktforscher zählen heute mehr zwei Milliarden GPS-Empfänger. Zwar sind viele Menschen nach wie vor mit Landkarte und Kompass unterwegs. Allerdings nutzen sie das Smartphone oder das Navigationssystem um Auskunft darüber zu erhalten, wo sie sich gerade aufhalten.
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Kaum zu glauben, dass eine so fundamentale Technologie wie GPS in die Jahre gekommen ist. Brad Parkinsson arbeitet als Professor an der Stanford Universität und gilt als einer der Väter des GPS-Systems. Er sieht GPS kritisch, nach seiner Meinung sei GPS in seiner heutigen Form nicht mehr zeitgemäß. „Wir brauchen eine Lösung, mit der wir ein klares und richtiges GPS-Signal senden. Die Empfänger der Anwender sollten gehärtet werden und eine weitere Aufgabe ist es die Dienstleistungen rund um Ortsbestimmung, Navigation und Zeitservice zu verbessern.“ In Europa soll EGNOS – „European Geostationary Navigation Overlay Service“ – diese Lösungen anbieten. Die Aufgabe der EGNOS-Infrastruktur ist es mit Hilfe von Bodenstationen und Positionsdaten das GPS-Signal so zu verbessern, dass es auf Anfrage der Kunden deren exakte Zeit sowie deren Positions- und Navigationsanfragen auf drei Metern genau berechnet. Die zweite Aufgabe ist es die Zeit bis zum – endgültigen – Start des europäischen Satellitensystems Galileo zu überbrücken.
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Die Galileo-Roadmap ist schwer zu recherchieren. Im Moment funken die Satelliten Positionsdaten, die in erster Linie für Systemtests benötigt werden. „Doresa“ und „Milena“ waren die ersten beiden von insgesamt 22 Satelliten, die die Europäische Union bei dem Bremer Hersteller OHB bestellt hat und die das Unternehmen seit Mai 2014 in mehreren Chargen nach Guayana liefern wird. Die letzten dieser Satelliten sollen im Jahr 2016 im Weltraumbahnhof ankommen. Laut Europäischer Union werde das Galileo Navigationssystem im Endausbau aus insgesamt 30 Satelliten bestehen – und erst wenn alle Satelliten um die Erde kreisen wird Galileo alle angekündigten Funktionen anbieten.
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Auf der Erde sind die Verantwortlichen mit dem Aufbau der Infrastruktur bereits weiter. Ein Sprecher des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bestätigte, dass seit November 2013 „alle insgesamt 21 Empfangsstationen für das europäische Satellitennavigationssystem im Einsatz und vollständig miteinander verbunden sind.“ Entlegene Empfangsstationen etwa auf Tahiti in Französisch-Polynesien oder im Polbereich der Antarktis seien über geostationäre Kommunikationssatelliten mit dem Galileo Kontrollzentrums in Oberpfaffenhofen verbunden. „Damit steht hier die Leistungskapazität in vollem Umfang zur Verfügung“, so der Sprecher weiter.
Christian Raum / veröffentlicht in Automotive IT, Sommer 2014