Digitale Zwillinge übernehmen Industrieproduktion

„Als ich auf einem Video gesehen habe, dass sich Roboter wieder aufrichten oder auch selbstständig das Gleichgewicht halten können, habe ich verstanden, dass es einen Umbruch in der Industrie geben wird. Das autonome und selbstlernende System ist keine Vision mehr, es existiert tatsächlich“, erklärt Professor Volker Stich, Geschäftsführer des Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen und Direktor des Cluster Smart Logistik. Wir trafen uns vergangenen Herbst bei einer Konferenz für ein Interview.

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(Quelle: Osr Robotics)
(Quelle: Osr Robotics)

Analog zu einem Roboter – der sich selbstständig wieder aufrichtet – könnte eine defekte Produktionsanlage sich eigenständig reparieren. „Wovon wir träumen, ist die Autonomie des Produktionssystems“, führt Stich in unserem Gespräch aus. „Wenn heute die Produktion auf Grund von Schäden, Defekten, Qualitätsmängeln, Nichtverfügbarkeit von Produktionsmaterial und ähnlichem mehr aus einem vorgegebenen Produktionsplan rausläuft, überlegen die Verantwortlichen, wie sie zurück in den Produktionsplan kommen.“ Ausschlaggebend für den Erfolg seien aus seiner Perspektive nicht die technologischen Funktionen, sondern die Planungskomponenten.

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Nach Meinung Stichs sei der „Digitale Zwilling“ ein möglicher Ansatz. Der Digitale Zwilling sei ein virtuell abgebildeter Idealzustand, der ständig mit der Realität abgeglichen werde. Wenn die Planung aus dem Ruder läuft, zeige sich das an Hand einer Differenz zwischen dem digitalen Zwilling und dem tatsächlichen Zustand.

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Volker Stich, Geschäftsführer des Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen. (Quelle: RWTH Aachen)

„Wir wollen mit Hilfe des Digitalen Zwillings die Steuerung durch die Regelung ersetzen“, erklärt Stich. „Die in den ERP-Systemen inhärente mittelwertbasierte Betrachtung sehen wir als ein Auslaufmodell. Die zukünftige Autonomie des Produktionssystems wird nur auf Basis einer Regelungskomponente funktionieren. Wir sind mit Hochdruck dabei, das zu durchdringen.“

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Stich gibt zu bedenken, dass im Moment alles auf einen ganz neuen Konflikt hinauslaufe – dem Konflikt zwischen der Intelligenz der Maschine und der Intelligenz des Menschen. Ich frage, wo aus seiner Sicht die Schnittstelle zu verorten sei, an der Maschine und Mensch aufeinandertreffen. Mich interessiert, wie sich beide vertragen und gemeinsam an einem Problem arbeiten. Und an welcher Stelle sie in Konkurrenz zueinander stehen.

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„Die Produktionsverantwortlichen benötigen eine Situationsanalyse, die sie auf Grund ihrer Erfahrung validieren“, sagt Stich. „Hier sehe ich die Schnittstelle, nach der Sie fragen. Die Herausforderung ist, dass die Komplexität seit Jahren dramatisch zu nimmt. Aufgabe des Systems ist es, einen Lösungsvorschlag und alle Alternativen zu berechnen. Dann entscheidet der Verantwortliche ‚ich fahre Track A oder B oder C‘.“

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(Quelle: Siemens AG)
(Quelle: Siemens AG)

Die Rolle des Menschen ist offensichtlich, die Entscheidungen auf Grund von maschinellen Analysen zu treffen – aber es gibt natürlich eine weitere Rolle, die menschliche Intelligenz erfordert. „Ich bin überzeugt, dass wir von den heutigen komplexen Programmierungen – Line of Codes – wegkommen zu deutlich leichteren Strukturen der Kombinatorik“, sagt Stich. „Die lineare Programmierung wird durch neuronale Strukturen zunächst ergänzt und später vielleicht sogar ersetzt. Die sind eben nicht fest verdrahtet, sie ändern ihre Konfiguration ständig.“

Autorin: Silvia Dicke / veröffentlicht 6.12.2016 auf dem itelligence-Blog

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