Flugzeugträger, Hagel und Granaten

Ein Uralter Text, den ich gerade ausgegraben habe: Geheime Daten und Dokumente im Internet? Viele Staaten unterstützen ihre Geheimdienste mit unbegrenzten finanziellen und personellen Möglichkeiten. Ziel von Spionage und Angriffen über das Internet sind Wirtschaftssysteme und kritische Branchen wie beispielsweise die Rüstungsindustrie. Die „Délégation Générale pour l’Armement“, ein Unternehmen des Französischen Verteidigungsministeriums, nutzte im Jahr 2009 Portaltechnologie und VPN-Tunnel für die – aus ihrer Sicht – sichere Zusammenarbeit mit der Industrie über das Web.

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Gleichgültig ob Nukleares Waffensystem, Panzer, Flugzeugträger oder Hubschrauber – wenn ein Rekrut ins Manöver zieht, sind seine Waffen häufig bereits älter als er selbst. Gerechnet von der ersten Bleistiftskizze über die Diskussion der Ingenieure, die Entwicklungen, Anpassungen und Verbesserungen bis zum fertigen System vergehen oft Jahre oder Jahrzehnte. Und es ziehen noch einmal Jahre oder Jahrzehnte in Land, bis die Waffen ihre Pflicht getan haben und verschrottet werden. Über den strategischen und politischen Nutzen, die Zerstörungskraft und die Lebenszyklen der Ausrüstung der französischen Streitkräfte wacht das französische Verteidigungsministerium in Gestalt der Ingenieure, Angestellten und Beamten des DGA – „Délégation Générale pour l’Armement“.

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Damals arbeiteten 13.000 Mitarbeiter für die GDA – sie kontrollierten Planung, Entwicklung, Bestellung, Kauf und Export der in Frankreich entwickelten und produzierten Waffen. In Zusammenarbeit mit der Industrie diskutierten und konstruierten die Ingenieure der DGA die Ausrüstungen, die das Ministerium später für die französischen Streitkräfte anschaffte. Die Jahrtausendwende markierte den Umbruch, die letzten Tage, in denen die DGA bei Neuentwicklung oder Bestellung der Hightech-Systeme vor allem Papier nutzte. Seitdem ersetzte das Management der DGA das alte Medium nach und nach durch digitale Systemen. Ein Blick zurück klingt wie der Abschied von alten, liebgewordenen Traditionen: Früher zeichneten die Ingenieure mit spitzen Bleistiften und Zirkeln Komponenten und Bestandteile, rollten die Pläne zusammen und reisten nach Paris. Auf Einladung der DGA trafen sie sich, lernten sich kennen, breiteten die Zeichnungen aus, diskutierten Details oder grobe Strukturen. Sie verbrachten ein paar Tage in der Hauptstadt und arbeiteten gemeinsam an den Plänen des ein oder anderen neuen Waffensystems.

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Vertreter der Automotive Industrie waren für Motoren oder Fahrgestelle zuständig. Entwickler aus der Flugzeugindustrie brachten Entwürfe von Düsentriebwerken, Werften stellten Pläne von Unterseebooten vor, die IT-Industrie ihre Vorstellungen von Hard- und Softwaresystemen. Heute sind die Pendler zur Ruhe gekommen. Unter ihren Arbeitsplätzen stehen Workstations an deren Monitoren zeichnen sie Panzer, Raketenwerfer oder Flugzeugträger mit der Maus aus Pixeln. Der Wechsel von Papier zu Digital hat die Zusammenarbeit von Industrie und Regierungsbehörde grundsätzlich gewandelt. Im Jahr 2009 sah sich die DGA zwar immer noch in der Rolle des Koordinators. Im Zentrum der Zusammenarbeit stand aber nicht mehr das persönliche Treffen sondern das Internetportal „Espace Partenaires“.

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„Die Ingenieure sind in Communities organisiert“, sagte mir der Verantwortliche Mitarbeiter des DGA bei unserem Treffen im Jahr 2009. „Für die Entwicklung nutzen sie vor allem Dokumenten Management Systeme – für das Austauschen der Konstruktionsmodelle, für das Kommentieren, Ergänzen, Versionieren, Freizeichnen und Archivieren.“ So bauten die Ingenieure an ihren Computern nach und nach riesige, dreidimensionale Puzzles in die Datenbanken des Portals. Aus den 3-D-Modellen der Komponenten wurden Flugzeuge. Für die Flugzeuge benötigten die Techniker, Werkzeuge, Ersatzteile, Software, Wartungshallen, Fahrzeuge, Treibstoffe – unter strengster Geheimhaltung bauten sie eine eigene, kleine CAD-Modellwelt. Hier wartetue der digitale Traum dann auf Entscheidungen aus dem Ministerium: Die Freigabe alles in der Wirklichkeit umzusetzen.

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Zusammen mit dem Waffensystem alterte dessen Abbild im Portal. Nach der Entwicklung stand die Freigabe zur Produktion, Bestellung, Kauf, Auslieferung, Verschrottung. Für jede Phase des Lebensprozesses liefen die entsprechenden Daten über die Portalserver in die Archive und Datenbanken. Bereits im Jahr 2003 hatte die DGA im Rahmen eines E-Government-Projekts beschlossen die Sicherheit beim Datenaustausch massiv zu verbessern, zu beschleunigen und zu überwachen. Als Gegenmodell zum Austausch der Daten auf DVDs oder USB-Sticks baute man das Espace Partenaires zwischen DGA und Partner. Seit damals ist es das erklärte Ziel möglichst viele Entwicklungsprogramme über diesen, von DGA im Jahr  2009 als sicher erachteten Weg, online abzuwickeln. Anstelle von Flugzeugen, Autos oder reisenden Ingenieuren nutzte die DGA das Netzwerk der Association ENX als Transportmedium.

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„Natürlich müssen sich die Ingenieure noch treffen um zu diskutieren, Ideen zu entwickeln, ihre Vorstellungen und Ideen zu vergleichen. Aber im Portal fließen alle Informationen über die jeweiligen Projekte zusammen“, bekräftigte der DGA-Mitarbeiter. Für die Übertragung der Daten vom Portal zu den Partnerunternehmen hatte er sich für VPN-Tunnel durch das Internet entschieden. „Letztlich basierte unsere Entscheidung für ENX auf drei wichtigen Punkten – es ist sicher, es ist ein gemanagter Service und er ist europaweit verfügbar. Ich möchte die zur Verfügung gestellten Dienste ganz einfach benutzen. Am liebsten wäre es mir, wenn der gesamte Prozess genauso einfach funktioniert wie früher mit Papier.“

Christian Raum // veröffentlicht 2009 im Magazin Automotive IT

 

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